Große Wäsche

Installation und Performance

Insofern -Ausstellung auf dem Alten Markt

Große Wäsche: Es ist Arbeit. Viel Arbeit. Nicht für reine Westen. Für frische Windeln. Reinlich und fein. Geplättet. Für die goldenen Knäbelein. Geschniegelt und gestriegelt.

Ich wasche und wasche und wasche. Und sauberer wird ´s, doch rein wird es nie wieder sein.

Und aus all dem vergangenen Streben der Garnisonstadt nach Übernahme, nach Macht und Einfluss war ein Häuflein Elend geworden. Die einstige Pracht des Städtchens war dahin nach einer Nacht und einigen Tagen. Schwere Entscheidungen darüber, was wieder aufzubauen schaffbar wäre- und was so ruinös, dass es besser dem Erdboden gleich gemacht werden sollte. Das war die Zeit der Hoffnung, der Neuausrichtung: Besser sollte es werden. Gleicher für alle. Nicht Macht und Pracht. Doch hoch hinaus. In kurzer Zeit mit Plattenbauten eine neue Stadt für alle schaffen. Eine, in der ein neuer Geist weht. Es sollte ein sozialer, ein sozialistischer sein. Nicht in den Grenzen der einstigen Straßenfluchten wurde gedacht, die 200 Jahre früher für Kutschen erdacht worden waren. Magistralen sollten vom neuen Wind künden, der ungehindert und kraftvoll sich den Raum bahnen sollte zwischen weit auseinander stehenden Bauten, erobern und hindurchpfeifen vom Wasser her. Wohnhäuser mit den immer gleichen Grundrissen wurden zur Wohnstatt derer, die versuchten, einen anderen Traum zu träumen, der nicht von Herrschaft erzählte, sondern von Gemeinwohl. Gut versorgt alle. Und auch dieser Traum war ein Gespinst, das untergraben wurde. Und in all der Zeit des Säuberns und Vidionierens wuschen die Mütter und Frauen der Stadt die Wäsche. Sie sorgten für reinliche Frische, kleideten ihre Lieben in duftendes Getrocknetes und Aufgebügeltes, mitunter Geflickten und Gestopftes. Mit Mühe reinigten sie die Kleider und wuschen den Staub der Tage aus ihnen. Sie schrubbten und stampften, wrangen aus und spülten. Klaglos. Selbstverständlich. An der neuen Welt bauten sie mit. Sie wurden auch Straßenbahnfahrerinnen und Kranführerinnen, doch zuhause waren sie Ehefrau und Mutter, Großmutter, Urgroßmutter oder Tante. Sie sorgten. Den gemeinsamen Traum träumten die Frauen mit und gaben ihre Kraft dafür. Abkehr von der preußischen Pracht, von nationalem Machtstreben. Dafür in frischen Unterhosen. Dem ruinösen Potsdam entkommen, der neuen Ausrichtung auf Gleichsein ein bisschen viel Vertrauen geschenkt. Mehr daran geglaubt, als die Entscheider selbst, die Freiheiten mehr und mehr einschränkten und trotzdem jede Wahl gewonnen. Wenn auch manipuliert. Die Windeln gewaschen für jene, die es noch besser machen sollten in Zukunft. Und immer wieder Trümmer, Zerstörungswut auf ein System, Abrissbirne, Sprengungen, und doch kam dann sogar das einstige Schloss in Tarnung und schließlich gar die goldenen Knäbelein zurück… Doch die große Wäsche hält an. Blut, Schweiß, Tränen, Exkremente werden noch immer ausgewaschen. Und sauberer wird’s. Doch rein wird es nie wieder sein.

Fotos von Kristina Tschesch, 2021